Startseite
Ulrich Schödlbauer: Kontur der Schwester

Judith und Parerga von links.

PARERGA
Judith, liebe Judith, wir sollten an dieser Stelle nicht stehenbleiben. Es ist der nächste Schritt, der uns hilft, vergiss nicht, welche Verhärtungen sich aus der Lage ergeben, in der wir uns befinden. Noch befinden, denn wir werden sie ändern, Stück für Stück, das verspreche ich dir auf die Hand.

JUDITH
Das ist ja reinstes Flachland, in das wir hier geraten sind, ich hätte Lust, einen roten Falken zu rufen.

Sieht das Regal.

O!

PARERGA
Ich fürchte, hier würdest du dein Kehlchen vergeblich auszwitschern.

JUDITH
Aber das finde ich spannend. Schau mal, Parerga: In einem solchen Land, mit freiem Blick bis zum Horizont, ohne Falken, müssten da nicht alle Frauen glücklich sein?

PARERGA
Sicher. Du fängst ja jetzt bereits an, dich zu langweilen. Wir sollten uns hier nicht zu lange aufhalten.

JUDITH
Das sagst du, weil du mir mein Glück neidest. Du hast mich schon immer beneidet, ich finde das ganz natürlich.

PARERGA
Ich? Dir? Dein Glück? Ich dachte, ich bin dabei, dir eins zu beschaffen. Wir haben das nicht gemacht, damit du jetzt trödelst und den Faden verlierst. Es gibt noch viel zu tun, meine Judith. Und wenn wir nichts finden: der Weg ist das Ziel.

JUDITH
Hast du diese Menschen gesehen?

PARERGA
Ich? Menschen?

JUDITH
Entschuldige. Ich vergaß.

Setzt sich.

Ich werde hierbleiben, Parerga. Das da - Pause - steht mitten in einem Fluss, der keiner ist, es könnte ein Tor sein, aber niemand geht durch. Es erinnert mich an die Porta Nigra, man läuft drum herum und stellt sich die Menschen vor, die einmal hindurchgegangen sind.

PARERGA
Der Mensch ist ein Gesicht im Sand, das verschwindet, das wissen wir doch nun, Süße. Und wenn schon. Dann siegen eben die anderen. Oder wir. Oder der rote Zwerg.

JUDITH
Aber da sitzen Leute.

PARERGA
Lass es gut sein. Die sehen nicht aus, als wollten sie interviewt werden.