DIE BRÜDER
Makellos!
Schattenlos!
Randlos!
Wie sie über alle Ränder geht,
wie sie überhand nimmt,
das ist wunderbar
und bedrohlich.
Wie konnten wir uns versündigen
an dieser Frau
und an ihresgleichen.
PARERGA zu Judith.
Da hast du deinen Schatten.
JUDITH
Und wenn ich ihn nicht haben wollte?
PARERGA
Was heißt das: wenn du ihn nicht haben wolltest?
JUDITH
Das heißt, dass ich anfange, diese Frau zu begreifen. Sie ist die Frau dieses Mannes, aber es bedeutet ihr nichts, das ist ihre Sache, da mische ich mich nicht ein. Vielleicht hat sie Gründe, die wir nicht kennen, vielleicht hat sie Gründe, die wir kennen, aber anders interpretieren würden. Ich sehe etwas anderes. Was ich sehe, ist das Gesetz. Männer wie der da haben Gesetze gemacht und gebrochen. Im Augenblick ist er bankrott, das kann sich ändern, aber er ist es - innen wie außen. Durch und durch. Er ist das Gesetz, es durchbohrt ihn, er blutet, sein Blut ist das Gesetz. Das ist nicht die Stelle, an der eine Frau blutet. Diese Frau akzeptiert kein Gesetz.
PARERGA
Außer sich.
JUDITH
Das in ihr müssten wir kennen.
PARERGA
Was willst du? Sei schnell. Der schöne Schatten, da geht er hin.
JUDITH
Glaubst du? Mir scheint, wir können noch in hundert Jahren herumsitzen und die Sache bereden. Da ändert sich nichts.
PARERGA
Was willst du?
JUDITH
Ich will, dass wir aufstehen und diese Leute sich selbst überlassen. Ich kann aber nicht, es ist mir unmöglich zu gehen. Ich will nicht die kleine Meerjungfrau geben, deshalb bleibe ich sitzen, bis diese Sache geklärt ist. Hosni -
HOSNI
Ja?
JUDITH
Du hast gerade darauf verzichtet, der Vater deiner Kinder zu sein. Sie hat dir einen Vertrag angeboten und du hast zugestimmt. Wirst du ihn halten?
HOSNI
Ich werde ihn halten.
JUDITH
Auch wenn es dir schwerfällt?
HOSNI
Auch wenn es mir schwerfällt.
JUDITH
Auch wenn es unmöglich sein wird?
HOSNI
Warum sollte es unmöglich sein? Pacta sunt servanda. Da sind die Zeugen.
JUDITH
Das sind Männer.
HOSNI
Es sind meine Brüder. Ist ihr Zeugnis weniger wert?
JUDITH
Sie werden gegen dich zeugen.
HOSNI
Darum vertraue ich ihnen.
JUDITH
Sie wird vielleicht ein Kind bekommen, es wird vielleicht von dir gezeugt sein und du wirst vielleicht zusehen dürfen, wie es aufwächst, aber es wird nicht dein Kind sein. Du wirst für seinen Unterhalt sorgen, aber es wird nicht dein Kind sein. Du wirst für seinen Unterhalt sorgen müssen, aber es wird nicht dein Kind sein. Du wirst auch für ihren Unterhalt sorgen müssen, aber es wird nicht dein Kind sein. D’accord?
HOSNI
Es klingt hart, wenn du es so sagst, aber: D’accord.