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Ulrich Schödlbauer: Kontur der Schwester

Hosni, Judith, Parerga. In einer Ecke Judy.

HOSNI sitzt auf dem Fußboden. Neben sich eine Flasche.

Die Brüder stapfen herein.

DIE BRÜDER
Du sitzt auf dem Boden und lässt uns arbeiten. Das ist keine Lösung. Zwei Sprinter sind in der Werkstatt, einer steht auf der Autobahn. Ein Fahrer hatte einen Unfall, er sagt zwar, er sei nicht schuld, aber die Polizei glaubt ihm kein Wort. Ein anderer ist ins Krankenhaus gefahren, weil ihm ein Sohn geboren wurde. Warum nicht in die Grube! Das ist alles dasselbe. Es ist, als ob einfach der Fluss stehengeblieben wäre: wenn du eine Münze hineinwirfst, sieht sie dich an, als seist du ein Biest.

Setzen sich.

PARERGA zu Judith.
Die Kerle sind zwar blöd, aber in diesem Fall haben sie recht. Etwas läuft gegen uns. Egal. Wir spielen Vabanque und bekommen, was wir wollen. Morgen beginnt ein anderes Leben. Gähnt. Mein Gott, wie langweilig. Gleich kriegen sie Hunger.

JUDITH
Ich möchte dir etwas sagen, Parerga. Ich finde diese blöden Kerle nicht so schlimm.

PARERGA
Das hat uns noch gefehlt. Ich weiß, dass du ein Auge auf diesen Hosni geworfen hast. Alles, was ich dazu sagen kann, lautet: Nicht nur, dass unsere Judy dahinten zu dämlich ist, ihren Vorteil zu erkennen, du leistest ihr auch noch Konkurrenz. Holofern geht zum Teufel und deine Mutter wird euch bei der ersten Gelegenheit so erledigen, dass man dich der Leichenfledderei bezichtigen wird. Der Mann ist so gut wie tot, während du mit seinen Augen Billard spielst. Wenn er wenigstens schielen würde. Was willst du mit so einem dampfenden Ross eigentlich anfangen? Die Differenz ergründen? Das reicht doch höchstens bis vorgestern. Du kannst dich auch als Nebenfrau anmelden, damit Judy den Gerichtsvollzieher besser wegsteckt, indem sie dir die Augen auskratzt und dir die Waschmaschine vollstopft. Die wirst du nie los.

HOSNI räuspert sich.

JUDY
Will eine an meine Stelle treten? Bitte, der Weg ist frei.

Pause.

JUDITH
Judy, die Sache ist so -

JUDY
Ich weiß, was du sagen willst, gib dir keine Mühe. Ich könnte dir auch etwas sagen, aber es lohnt nicht. Es geht sparsam zu in diesem Haus, vielleicht bin ich daran ja auch schuld. Ich scheine ja an allem schuld zu sein. Nein, gib dir keine Mühe, ich kann auch in Gesichtern lesen. Dieser Mann da zum Beispiel findet es nicht der Mühe wert, seinen Hintern aufzuheben und mir ins Gesicht zu sehen. Vielleicht habe ich etwas getan, vielleicht nicht. Vielleicht hat er etwas getan, was ich nicht weiß. Wer weiß das schon.

JUDITH
Und wenn ich es wüsste? Würdest du mich fragen? Würdest du mich wirklich fragen? Nein, denn du starrst auf das Gesicht dieses Mannes, den du verlassen willst, als enthalte es irgendeine Offenbarung. Es steht aber nichts darin als das, was wir alle sehen. Warum sehen es alle und du nicht? Und warum willst du es dort sehen, wenn du es auf unseren Gesichtern sehen könntest? Und warum willst du es überhaupt sehen? Warum nimmst du nicht deinen gepackten Koffer und rufst das Taxi? Dafür wird das Geld reichen, nehme ich an, du hast doch zurückgelegt.